Pünktlich, exakt, leidenschaftlich: Die Taktgeberinnen von Thurbo

In den Abteilungen Planung und Disposition von Thurbo arbeiten vier Frauen, welche die Bahn im Blut haben. Ohne sie stünden Fahrzeuge, Lokführer:innen und letztlich die Kund:innen auf verlorenem Posten.

Text: Timon Kobelt

Andrea Brunner, Sévérine Lieberherr, Jennifer Plecher und Ursula Gamper (von links) gehen auf dem Perron entlang. Im Hintergrund ist ein Thurbo Zug zu sehen.
Andrea Brunner, Sévérine Lieberherr, Jennifer Plecher und Ursula Gamper (von links) sorgen bei Thurbo für einen reibungslosen Regionalverkehr. Bild: Thurbo AG

Die S2 von Thurbo fährt seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 täglich und pünktlich um 5.09 Uhr bereits ab Nesslau-Neu St. Johann (statt Wattwil) nach St. Gallen. Eine Gewohnheit und Selbstverständlichkeit für alle Pendler:innen aus dem Toggenburg. Dass sich die Fahrgäste am Reisetag respektive am «Tag X» auf ihre Verbindungen verlassen können, verdanken sie unter anderem vier Frauen aus den Abteilungen Planung und Disposition. Sie investieren viel Herzblut und noch mehr Vorlaufzeit, damit die Thurbo Züge im Takt verkehren.

 

Angebotsplanung: Langfristig planen, Offerten erstellen

Ursula Gamper ist ein Bahn-«Urgestein». Die 62-Jährige startete ihre Laufbahn 1987 bei der SBB am Billettschalter am Flughafen Zürich. Ihr weiterer Weg führte sie von der Betriebsleitzentrale in Zürich über die Fahrdienstausbildung bis in die Angebotsplanung von Thurbo. Ihre wichtigsten Ansprechpartner sind die Kantone, welche Leistungen des öffentlichen Regionalverkehrs bestellen und ein möglichst gutes Angebot auf den Schienen wünschen. Aufgrund dieser Bedürfnisse erstellt sie Offerten und versucht schon frühzeitig, Engpässe zu erkennen sowie Lösungen zu finden.

Illustration Planung bei Thurbo
Vorausschauend planen, kurzfristig richtig reagieren: Je näher der Reisetag respektive der «Tag X» kommt, desto konkreter ist die Planung. Grafik: Thurbo AG

«Die Schienen sind stark ausgelastet und der Taktfahrplan ist gegeben. Am ehesten haben wir zu Randstunden oder an Wochenenden noch Spielraum für dichtere Takte», erklärt sie. Der Zeit ist sie immer um etwa zwei Jahre voraus: So hatte sie die zu Beginn erwähnte Verlängerung der S2 bereits 2020 auf dem Tisch und ihre Arbeiten dazu 2022 abgeschlossen. «Ohne mich wären unsere Züge nicht im Takt», sagt Ursula Gamper lachend.

Jahresplanung: Fahrzeugumläufe von Hand zeichnen

Die Arbeiten der vier Frauen schliessen nahtlos aneinander an. Andrea Brunner von der Jahresplanung kümmert sich um den sogenannten «Fahrzeugumlauf». Vor ihrem Engagement bei Thurbo hatte die ehemalige Lokführerin während zehn Jahren als Disponentin gearbeitet. Heute sorgt die 37-Jährige dafür, dass klar ist, wo welches Fahrzeug im Jahresverlauf im Einsatz steht – jeden Tag auf die Minute genau. Ausserdem erstellt sie Jahresdienstpläne für das Lokpersonal. Die Jahresplanung für die aktuelle Fahrplanperiode startete sie bereits im Frühjahr 2024.

«In meiner Funktion stelle ich das Kundenversprechen sicher», sagt Andrea Brunner. Bestellt ein Kanton auf einer Strecke zwei Fahrzeuge, muss sie das beim Zeichnen eines Umlaufs berücksichtigen. Dabei ist «Zeichnen» wortwörtlich zu verstehen, ehe der Umlauf in den Computer kommt. «Ich sorge dafür, dass unsere Züge in geordneten Bahnen verkehren», schmunzelt Andrea Brunner. «Du meinst, bis wir sie wieder aus diesen Bahnen herauslösen», fragt Sévérine Lieberherr. Beide Frauen lachen.

 

Mittelfristplanung: Streckensperrungen und Veranstaltungen vorbereiten

Tatsächlich greift die Mittelfristplanung im Hinblick auf bekannte und geplante Ereignisse wie Baustellen und Veranstaltungen in die Jahresplanung ein. Dabei profitiert Sévérine Lieberherr stark von Andrea Brunners Vorarbeit, «denn ich muss nur die Umläufe oder Lokführertouren anpassen, die von einem Ereignis betroffen sind», sagt «Sévi», wie sie intern genannt wird. Die ausgebildete Lokführerin ist auch heute noch während rund 200 Stunden pro Jahr auf den Schienen unterwegs.

Die vier Thurbo Taktgeberinnen versammelt in der Disposition am Hauptsitz der Regionalbahn in Kreuzlingen. Sie stehen vor einem Arbeitsplatz mit unzähligen Bildschirmen.
Die vier Thurbo Taktgeberinnen versammelt in der Disposition am Hauptsitz der Regionalbahn in Kreuzlingen. Bild: Thurbo AG

Zudem plant die 41-Jährige die mittel- und kurzfristigen Zugumläufe: Sie erarbeitet die Zugseinteilungen bis zu drei Tage im Voraus des Reisetages, respektive des «Tages X». Damit ist auch ihre primäre Währung die Zukunft. «Ich hatte die dreiwöchige Streckensperrung zwischen Weinfelden und Kreuzlingen vom Mai 2025 schon Anfang März 2025 auf dem Tisch. Prompt habe ich nun im Mai dennoch erwartungsfroh auf dem Perron gewartet», berichtet sie schmunzelnd. Bei unerwarteten Ereignissen hingegen schaltet Sévi voll in den Gegenwartsmodus und arbeitet eng mit der Disposition zusammen.

 

Disposition: Den Soll-Zustand wiederherstellen

Es gibt kein besseres Bild für die Disposition als das der Springer:innen. Sie löschen Feuer im brandaktuellen Tagesgeschäft und müssen auch in Ausnahmesituationen funktionieren. Gerade deshalb sei der Teamgeist in der Abteilung stark ausgeprägt. «Entscheide müssen schnell gefällt und konsequent umgesetzt werden», betont Jennifer Plecher. Die 37-Jährige arbeitet seit eineinhalb Jahren bei Thurbo, davor war sie fast ein Jahrzehnt im Fahrdienst in Konstanz tätig.

Ob die «Dispo» im Krisenfall auch Special Teams habe wie im Eishockey, will Sévi wissen. «Wir funktionieren wie eine gut geölte Maschine», antwortet Jennifer Plecher, «manche sind total fit in der Beschaffung von Ersatzfahrzeugen, ich zum Beispiel bin superschnell mit den Lokführertouren.» Auf die Stärken der Leute setzen, ist das Motto.

«Entscheide müssen schnell gefällt und konsequent umgesetzt werden.»

Jennifer Plecher, Disponentin bei Thurbo

Auf diese Weise haben Disposition und Planung auch die Herausforderungen 2024 bewältigt, als sich in Kehlhof (TG) und in St. Gallen St. Fiden innerhalb von zwei Monaten zwei Hänge lösten und die Gleise verschütteten: Die Disposition hielt am Reisetag den Fahrplan so gut es ging per Ersatzverkehr aufrecht, parallel dazu spurte die Mittelfristplanung die nächsten Tage vor. «Nach Stunden habe ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen», erzählt Sévi. Zum Glück sei die Hilfsbereitschaft in beiden Abteilungen enorm hoch.

 

Alles für die Reisenden

Das Engagement und die Leidenschaft der vier Frauen für Thurbo und deren Kund:innen sind spürbar. Die vorbereiteten Fragen sind fast überflüssig, das Gespräch spinnt sich unter ihnen von allein fort. «Unser Fokus gilt den Reisenden und auch dem Lokpersonal. Ihnen wollen wir mit unserer Arbeit gerecht werden», betonen sie unisono. Alle loben sie auch die gute Zusammenarbeit mit ihren männlichen Kollegen in der achtköpfigen Abteilung Planung und der 17-köpfigen Disposition: «Die durchmischten Teams ergänzen sich super. Wir alle wollen es der Nachfolgestelle so einfach wie möglich machen. Das trägt zu einem reibungslosen Regionalverkehr in der Ostschweiz bei.» 

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